Dieses Hotel am New Yorker Flughafen JFK ist eine Reminiszenz an alte Glanzzeiten der Luftfahrt

Das „TWA Hotel“ als Flughafenhotel zu bezeichnen wäre eine Beleidigung: Das ikonische Terminal am New Yorker JFK-Flughafen samt Pool mit Blick übers Rollfeld holt Mid-Century-Architektur aus dem Dornröschenschlaf – ein Paradies für Flugzeugfanatiker und Architekturaficionados.
Der Innenraum des Terminals das heute die Lobby ist wurde weitgehend so belassen wie er zur Eröffnung im Jahr 1962 aussah.
Die „Sunken Bar“ wurde wieder so hergerichtet, wie sie schon bei ihrer Eröffnung im Jahr 1962 aussah.David Mitchell

Ist es eine Auster? Ein Adler? Oder vielleicht doch ein Wal? Ein Gebäude wie das „Flight Center“ von Trans World Airlines (TWA), das der finnische Architekt Eero Saarinen 1962 für den New Yorker Flughafen Idlewild ersann, hatte die Welt noch nicht gesehen. Ein Terminal mit einem markanten, flügelförmigen Schalendach; mit hohen Fenstern, die einen großzügigen Blick auf das Rollfeld ermöglichten; mit ungewöhnlichen, röhrenförmigen Fluren, die zu geschlossenen Fluggastbrücken führten. Es gab eine zentrale Beschallungsanlage, Gepäckbänder, Fallblattanzeigen und Gepäckbänder – und symbolisierte, wie moderne Technik das Leben vieler Menschen auf Dauer zum Besseren verändern würde.

Es war 1962, und alles schien möglich. Die Fluglinie TWA, die sich gern als Airline der Schönen und Reichen gerierte, wollte Standards setzen. Das „TWA Flight Center“ war ein Wahrzeichen des Glamours im goldenen Zeitalter des Fliegerei, als der damals noch in den Kinderschuhen steckende internationale Jet Set gerade an Aufwind gewann. Jede Airline hatte damals ihr eigenes Terminal, und TWA verpflichtete den finnischen Architekten Eero Saarinen für ihres. Saarinen hatte die vier Tonnengewölbe aus Stahlbeton nach rein formalen Gesichtspunkten entworfen, ohne Rücksicht auf das ideale statische Tragverhalten der Konstruktion. Die Form des Gebäudes war ihm, heißt es, beim Frühstück in den Sinn gekommen, als er die Schale einer halbierten Grapefruit auf einen Tisch stellte und in der Mitte nach unten drückte.

Der finnische Architekt Eero Saarinen entwarf das „TWA Flight Center“ ohne Rücksicht auf die ideale Statik – ihm ging es allein um die Ästhetik der Form.

David Mitchell

Der Innenraum des Terminals, das heute die Lobby ist, wurde weitgehend so belassen, wie er zur Eröffnung im Jahr 1962 aussah.

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Auch das auf die Architektur abgestimmte Interieur, für das Warren Plattner verantwortlich war, gehorchte TWAs Corporate Identity. „Wir wollten, dass die Passagiere, die durch das Gebäude gehen, eine vollständig gestaltete Umgebung erleben, in der jedes Teil aus einem anderen entsteht und alles zur gleichen formalen Welt gehört“, sagte Saarinen. Ein Novum zu einer Zeit, in der der Distinktionsgewinn für eine Marke durch architektonisches Fantasma noch nicht alltäglich gewesen war. Doch die Zeit arbeitete gegen das Gebäude: Schon kurz nach Fertigstellung des Terminals waren die Kapazitäten der Flugzeuge stark gestiegen und das Gebäude viel zu klein, Menschentrauben drängten sich in der Abfertigungshalle. Aus heutiger Sicht ist das Gebäude mit den betriebstechnischen Anforderungen eines Flughafens nicht mehr zu vereinen.

Der Flughafen Idlewild trägt heute den Namen John F. Kennedy und ist der fünftgrößte Flughafen der Vereinigten Staaten. Mehr als 56 Millionen Passagiere zählt er jedes Jahr. AlS TWA 2001 von American Airlines übernommen wurde, wurde das Terminal stillgelegt und stand lange leer – seit wenigen Tagen aber ist es mit über 18.000 Quadratmetern die wahrscheinlich größte Hotellobby der Welt. In den vergangenen Jahren wurde das 1994 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude unter der Leitung des Architekturbüros Beyer Blinder Belle rundum erneuert und ist heute das einzige Hotel am Flughafen JFK, das fußläufig oder mit der Air Train erreichbar ist (das Gebäude ist mit JetBlues Terminal 5 verbunden).

Die Architekten orientierten sich bei der Erneuerung an den Ursprüngen des Gebäudes.

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Seit 2001 stand das Terminal leer. Lange war unklar, was mit ihm geschehen sollte. Der Umbau kostete letztlich gut 265 Millionen Dollar.

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Weil das „TWA Flight Center“ als architektonisches Gesamtkunstwerk ausgelegt war, wurde die Hotellobby weitgehend dem ursprünglichen Entwurf angepasst. Selbst die Schalter zum Einchecken blieben gleich. Gut 265 Millionen Dollar kostete der Umbau des Terminals, an das zwei Gebäudeflügel mit insgesamt 512 Zimmern angedockt wurden, von denen die meisten das Rollfeld oder gar die Startbahnen überblicken. Schalldichte, zwölf Zentimeter dicke Fenster von Fabbrica schützen vor Fluglärm – im weltweiten Vergleich sind nur die Fenster der amerikanischen Botschaft in London dicker.

Die Zimmer, alle mit Saarinens Womb Chair und Tulip Table ausgestattet, wurden vom New Yorker Architekturbüro Stonehill Taylor eingerichtet, das auch die öffentlichen Räume und eine Flugzeugbar ersann: Sie ist in einer Lockheed Constellation L-1649A untergebracht, die von den Fünfzigerjahren an im Dienst von TWA flog. Die eigentliche Cocktailbar des Hotels, „The Sunken Lounge“, wurde in ihren ursprünglichen Glanz zurückversetzt. Besonders augenfällig sind die mit chiliroten Bezügen von Florence Knoll bezogenen Möbel und farblich darauf abgestimmte Teppiche.

Aus einer Lockheed „Connie“ Constellation L-1649A, die früher im Dienst von TWA flog, wurde eine Cocktailbar.

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Die 512 Zimmer, meist mit Blick aufs Rollfeld, sind mit 12 Zentimeter dickem Glas isoliert, damit kein Lärm nach innen dringt.

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Mit seiner fast cineesken Dramaturgie ist das „TWA Hotel“ weit mehr als ein Flughafenhotel. Sein anachronistisches Erscheinungsbild macht es viel mehr zu einem Altar, der dem Ruhm des Jet-Zeitalters huldigt; eine nostalgische Reminiszenz an die so geheimnis- wie lustvollen Anfänge der Fliegerei. Es weckt Begehrlichkeiten und Optimismus für die Zukunft der Luftfahrt – und das ist in Zeiten von „Flygskam“ doch allerhand.

In der Lobby des Hotels erinnert eine Fallblattanzeige an die frühen Glanzzeiten der internationalen Luftfahrt.

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Ein 20 Meter langer Infinity-Pool überblickt Rollfeld und Startbahn.

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Das „TWA Hotel“ ist ans Terminal 5 des New Yorker Flughafens John F. Kennedy angeschlossen und mit Air Train, Bus und Auto erreichbar. Doppelzimmer ohne Frühstück ab rund 250 Dollar, auch kürzere Aufenthalte möglich.