Iranische Airlines : Alte Vögel rosten nicht
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Plane Spotting: Die letzte Boeing 747SP im Linienverkehr zwischen Teheran und Kuala Lumpur auf dem Flughafen der Hauptstadt von Malaysia Bild: Florian Siebeck
Die iranische Luftfahrt war einst der Stolz des ganzen Landes. Heute halten die Perser ihre Flugzeuge wegen der Sanktionen nur mit Mühe in der Luft. Viele Maschinen aus Zeiten des Schahs fliegen deshalb noch heute.
Das Flugzeug nach Teheran, das wir in Kuala Lumpur besteigen, war als Totalschaden deklariert worden, als das Bugfahrwerk vor zehn Jahren bei einer Notlandung in Peking kollabierte. Von den 37 Jahren, die die Maschine jetzt auf dem Buckel hat, stand sie fünf am Boden, 35 Jahre gab es keine Ersatzteile vom Hersteller. Und jetzt steht sie hier, abflugbereit: eine Boeing 747SP (Special Performance) von Iran Air, im Liniendienst das schnellste Passagierflugzeug der Welt, gleichwohl eines der ältesten.
Es sieht aus wie eine reguläre 747 mit ausgespartem Rumpf, ist 14,5 Meter kürzer und ein paar hundert Sitze leichter, fliegt dafür aber 2500 Kilometer weiter. Der Check-in-Agent hatte Platz 2C zugewiesen, dabei war die First Class leer. „Bitte, setzen Sie sich, wohin Sie mögen“, sagt der Flugbegleiter. Seit ihrer Indienststellung vor 37 Jahren hat sich im Innern der Boeing fast nichts verändert. Gut, der Flachbildschirm von Sony ist neu, aber sonst ist sie ein richtiger Klassiker, die Kabine nicht sonderlich ergonomisch oder aerodynamisch, sondern eckig und kantig bis auf die Wendeltreppe und den Rufknopf mit der Minirock-Silhouette. In den Waschräumen gibt es einen Schlitz für verbrauchte Rasierklingen, und es wird noch geraucht, jeder kann das riechen.
Man bekommt ein Ledernecessaire aus Mashad, für die Gäste in der Homa-Klasse (irgendetwas zwischen First und Business) gibt es Safran in einer Holzschachtel. Nach einer Lobpreisung des Herrn, in dessen Namen man alle Gäste begrüßt, die zuvor ordnungsgemäß ihre Walkmans und Gameboys ausgeschaltet haben, schießt die Boeing 747SP mit ohrenbetäubendem Lärm in die Luft. Die kommenden acht Stunden vergehen ohne Touchscreens und Fernbedienungen, ohne Wifi und Entertainment. Aber es gibt einen Andachtsraum, auf dessen Monitor ein Pfeil nach Mekka zeigt.
Die Entwicklung der Maschine geht auf ein gemeinsames Begehren zurück: Es fehlte an einem Flugzeug, das kleiner war als die 747 und größer als die 707, also zwischen knapp 560 und knapp 180 Sitzen. Außerdem fehlte es an Maschinen mit entsprechender Reichweite: PanAm wollte die Strecke von New York nach Tokio bedienen, Iran Air die von Teheran nach New York. Der Schah regierte, es waren andere Zeiten. Gemeinsam traten die Airlines an Boeing heran, 1976 wurde die erste „kleine Königin der Lüfte“ an Iran Air schließlich ausgeliefert. Von den nur 44 gebauten Exemplaren wurde der Großteil in Iran und Amerika genutzt. Aber auch South African nutzte die Boeing 747SP, um während des Apartheidregimes von Zürich nach Johannesburg fliegen zu können, ohne den afrikanischen Kontinent zu überqueren. Iran Air stellte zu jener Zeit mit der Strecke von Teheran nach New York - 9850 Kilometer in 11 Stunden und 15 Minuten - die längste Nonstopverbindung im Linienverkehr auf.
Damals war Iran Air auf bestem Wege, zu einer der größten Fluglinien der Welt zu werden. Es gab Verbindungen nach Amerika, Europa und Asien. Dann kam 1979 die islamische Revolution. Die Vereinigten Staaten reagierten mit einem Handelsembargo. Boeing stellte seine Lieferungen nach Iran ein, nicht einmal Ersatzteile wurden geliefert. Später belegten weitere westliche Länder Iran mit Sanktionen. Die Iraner hielten ihre Maschinen provisorisch am Leben. Im Genfer Zwischenabkommen des Atomstreits mit Iran bekommt das Land nun immerhin Ersatzteile geliefert, sofern es weiterhin seine Uran-Bestände reduziert.
Trotzdem fliegen noch heute einige Flugzeuge aus der Zeit des Schahs. Das macht Iran neben Russland und Nordkorea zum Wallfahrtsort für Luftfahrtenthusiasten. Die Crews kennen die Verrückten schon. Sie freuen sich aber wie viele Iraner über das Interesse an ihrem Land. Die Flugbegleiterinnen tragen Kittel und Kopftuch und servieren das Essen staatsmännisch. Iran-Air-Chef Farhad Parvaresh meint, die Flugzeuge seien vielleicht nicht die allerneuesten, aber das „persische Flair“ beim Service gebe es sonst nirgends. Und wirklich: Die Crew schenkt uns ungeteilte Aufmerksamkeit.