Dieses mallorquinische Ferienhaus ist ein zurückhaltendes Refugium

In einem Ferienhaus im Nordwesten Mallorcas treffen lokales Handwerk, modernes Design und Lebenslust aufeinander. So entstand ein Ort, der mit seinen Bewohnern wächst.
House Deia Mallorca Rapiceria Riera Mallorca Architektur
Die Stoffe für den Freisitz sind von Tapicería Riera, die Leuchte (aus einem balinesischen Hühnerkäfig!) von Bconnected.Greg Cox / Bureaux

Auf dem marokkanischen Beni-Ourain-Teppich fühlt sich Weimaraner Pearl sichtlich wohl. Dem Pfauenstuhl dazu begegnete Oro del Negro in einem Antiquitätengeschäft in Palma de Mallorca.

Greg Cox / Bureaux

Deià hält sich gut versteckt. Das kleine Dorf an der mallorquinischen Nordwestküste schmiegt sich hinter einem Hügel in die Mitte eines Tals, direkt am Meer. Wer hier anzulanden wagte, war lebensmüde – oder kriminell: Unberechenbarer Wellengang, starke Winde und über das Wasser ragende Felsen machten die „schwarze Küste“ zu einem mythischen Ort. Erst kamen die Piraten, dann die Schmuggler. Und irgendwann die Stars: Denn entrückt ist Deià noch heute; selbst mit dem Auto taucht es unvermittelt erst nach einer Kurve auf. Und spätestens, seit sich der Dichter Robert von Ranke-Graves 1929 in Deià niederließ, gilt es als das Künstlerdorf Mallorcas.

Die Stoffe für den Freisitz sind von Tapicería Riera, die Leuchte (aus einem balinesischen Hühnerkäfig!) von Bconnected.

Greg Cox / Bureaux

Aus der von Wildbächen durchzogenen Altstadt Deiàs führen alle Wege nach oben. Heute schmiegen sich die Häuser des Ortes bis hoch an den Hügel. Hier in der Oberstadt haben Manuel Villanueva und Oro del Negro vom Designstudio More mit dem Architekten Claudio Hernández Alcover ein 200 Jahre altes Stadthaus wiederbelebt. Ein Dreivierteljahr hatten sie Zeit, „von der Epidermis“ bis ins kleinste Detail aus einem traditionellen Bau ein großzügiges Zuhause zu machen. Das Einzige, was dabei (abgesehen von der Außenfassade) unverändert blieb, war der Standort des Pools. Wer das unscheinbare Haus von der Seitenstraße aus durch das große Portal betritt, wird von einer ausladenden Sofalandschaft begrüßt. „Das Kinozimmer“, sagt Oro del Negro und lässt eine Leinwand herunter. „Mallorca hat’s nicht so mit Fernsehern.“ Nur die Popcorn-Maschine fehlt noch, einen Platz hat sie sicher. „Das ist der Blödsinn, der das Leben lebenswert macht.“ Das ganze Haus setzt auf Offenheit. Die Treppe führt hinauf zur großzügigen Wohnküche, deren vergleichsweise kleiner Esstisch eher Dekorationsobjekt ist – wir sind schließlich am Mittelmeer, wo an warmen Abenden draußen gegessen wird. „Für eine Gartenküche reichte der Platz nicht, aber es sind ja keine langen Wege“, sagt del Negro.

In der offenen Wohnküche dominieren Naturmaterialien neben Leuchten von Tom Dixon und einem Sofa, das die Designer selbst entwarfen. Die Schubladen aus Steineiche sind maßgefertigt, die Kupferarmaturen kommen von Vola.

Greg Cox / Bureaux

In der Küche sind sämtliche Gerätschaften hinter Stein und Holz verborgen. Leuchten von Tom Dixon und ein paar Plexi-Stühle von Philippe Starck bilden den einzigen Kontrast zu den Naturstoffen, die das Haus wie ein Leitmotiv durchziehen. Ausgewählte Vintage-Stücke werden mit Maßanfertigungen in Stein, Holz und Messing ergänzt. Von den Wandleuchten über die Waschtische hin zu Lichtschaltern und Steckdosen entwarfen die More-Designer fast alles selbst und ließen es auf der Insel fertigen. „Wir wollen das traditionelle Handwerk sichtbar machen“, sagt Oro del Negro. „Auch wenn das heute teuer ist. Dafür schafft man Werte, die noch den Enkeln Freude machen.“ Die mallorquinischen Flammenstoffe, die sich auf Polstern, als Vorhänge und Bettbezüge wiederfinden, werden nur noch in einem einzigen Ort produziert. Die Eichenholzplanken hat der Holzkünstler Pedro Casanovas aufgearbeitet; die Binissalem-Steine, die auf den Treppenstufen, im Boden vor dem Kamin und in der Küche verbaut sind, kommen von Steinmetz Juan Camposol. „Wir arbeiten mit der Schönheit natürlichen Materials“, sagt Manuel Villanueva, „und lassen es seine eigene Sprache sprechen.“

Ein verwitterter Zimmermannstisch aus der Galería Barceló in Santanyí ziert die verschwiegene Terrasse mit Südostblick.

Greg Cox / Bureaux

Im Obergeschoss kann das Hauptschlafzimmer je nach Bedarf ums Nachbarzimmer zu einer Suite erweitert werden, die dann die ganze Etage einnimmt. Das Bad ist offen, wandfüllende Spiegel vergrößern den Raum. Den gut vier Meter langen Waschtisch aus drei großen Steinblöcken haben Villanueva und del Negro bis in die offene Dusche verlängert, die so tief im Raum steht, dass es keiner Trennwand bedarf. „Hamam-Atmosphäre unter der Brause“, lacht del Negro und nimmt auf dem Waschtisch Platz.

Designer Oro del Negro (rechts, sitzend) und Architekt Manuel Villanueva betreiben in Deià gemeinsam das Studio More (moredesign.es). Das Ferienhaus in der Oberstadt des mallorquinischen Küstenorts kann man unter deialuxe.com/properties/68 mieten.

Greg Cox / Bureaux

„Deià ist über Jahrhunderte organisch gewachsen“, erzählt Oro del Negro, „ein sehr verschachtelter Ort, beinahe wie ein Escher-Gemälde.“ Im Sommer werden aus 700 Einwohnern 3000, die meisten kommen jedes Jahr wieder. „Am Anfang waren es die Bildhauer, Dichter und Maler, dann Schauspieler und Musiker und jetzt vor allem Modemenschen aus Paris und New York.“ Trotzdem sieht man dem Ort weder Jetset noch Tourismus an. Er hat eine Nische gefunden zwischen Ibiza und Palma, zwischen Extravaganz und Massentourismus, und behält selbst in der Hochsaison seine intime Atmosphäre. In Deià, sagt man, ist jeder auf einer Party willkommen, der weiß, wie er hinkommt. Die Künstler, die in den Sechzigern und Siebzigern hierherkamen, haben die Architektur und Lebensart im Ort nachhaltig geprägt. „Sie brachten eine Ungezwungenheit mit, die sich mit der mallorquinischen Lebensart vermengt hat“, sagt del Negro.

Den passenden Beistelltisch zum belgischen Himmelbett im Schlafzimmer fanden die Designer bei asitrade.es; stimmungsvolles Leselicht spenden „Tolomeo“-Leuchten von Artemide.

Greg Cox / Bureaux

Ein Einfluss, der sich auch im Haus in jedem Winkel niederschlägt. Mit sechs Schlafzimmern ist der Bau, dessen Eigentümer ihn erst zur Eigennutzung vorgesehen hatte und mittlerweile als Ferienhaus vermietet, „ein Ort für eine gute Zeit mit Freunden.“ Deshalb erteilte er auch dem Minimalismus eine Absage. „Eine Finca auf dem Land könnte man nackter lassen. Aber das hier ist ein Stadthaus, da braucht es schon etwas mehr“, sagt del Negro. Er spricht nicht von Sperenzchen; alles Komplizierte wurde aus dem sichtbaren Bereich verbannt: Heizungen und Klimaanlage verstecken sich hinter eingezogenen Wänden, alle Technik – zur Wasseraufbereitung, fürs Internet, die Klimatisierung – verschwindet in einem Maschinenraum im Erdgeschoss.

Auch wenn Deià schon seit den Sechzigern illustre Gäste aus der ganzen Welt anzieht, hat sich der kleine Ort seine Ursprünglichkeit bewahrt.

Greg Cox / Bureaux

Sichtbar bleibt nur die freundliche Atmosphäre. Das Licht, das von den Kalksteinwänden reflektiert wird; das aschgraue Holz der Steineiche; das Messing und die hellen Böden. Stärker noch wirken die haptischen Eindrücke. „Auf Mallorca, wo man im Sommer meist barfuß läuft, ist jede Bewegung eine sinnliche Erfahrung“, meint del Negro. Es war also nur konsequent, ein Haus zu gestalten, das schöner wird mit der Zeit, das mit jeder Berührung, jedem Schritt an Patina gewinnt. Im Moment, sagt del Negro, sei das Messing noch viel zu golden. Zu exaltiert für das stille Berg­dorf am Meer, in dem es nicht mehr braucht als ein Paar Espadrilles und gute Freunde für ein Essen im Freien. Und ein Haus, das sich zurücknimmt. Das Leben ist schließlich aufregend genug.

Den Schreibtisch im Büro ließen Oro del Negro und Manuel Villanueva bei dem Kunsttischler Pedro Casanovas aus auf­gearbeitetem Eichenholz fertigen. Die Leuchte ist von Jieldé, das Gemälde von einem unbekannten Künstler aus Barcelona. Steinstufen führen in den Masterbedroom.

Greg Cox / Bureaux

Das Leben findet hier vor allem draußen statt – zum Beispiel am Pool. In Kübeln aus einer alten Wassermühle gedeihen gleich neben der Küche Kräuter.

Greg Cox / Bureaux